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Eine Fußball-Legende wird 90 – Rainer Baumann feiert3 min read

21. Januar 2020

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Eine Fußball-Legende wird 90 – Rainer Baumann feiert3 min read

Rainer Baumann, eine Leutzscher Legende, wird 90 Jahre alt. Er steht in einer Reihe mit den 50er Helden, welche die erste Deutsche Meisterschaft für die BSG Chemie holten.

In der Saison 1951/52 erreichte Chemie mit Baumann den Dritten Platz. Im Dezember 1952 geriet er in den Strudel sportpolitischer Ereignisse, an deren Ende Chemie sieben seiner besten Spieler verloren hatte, die zur Armeemannschaft von Vorwärts Leipzig gewechselt waren. Vorwärts wurde nun in Berlin angesiedelt, stieg aber 1954 ab, gewann allerdings den FDGB-Pokal 1954 (mit fünf Ex-Chemikern). 1955 kehrte Baumann nach Leipzig zum nun existierenden SC Lokomotive zurück, absolvierte zwei Länderspiele und avancierte zum absoluten Stammspieler. 1957 gewann er den Pokal zum zweiten Male, fehlte aber im Finale. 1961 kehrte er zum Ausklang seiner Karriere zur „kleinen Chemie“ zurück und kickte dort gemeinsam mit Günter Busch und Gerhard Helbig bis 1963, als Chemie die Oberliga-Zugehörigkeit zurückbekam. Als Chefredakteur von „Theorie und Praxis der Körperkultur“ sowie später als Fachjournalist bei den Sportzeitungen „Deutsches Sportecho“ und „Neue Fußballwoche“ blieb er dem Fußball verbunden. Auch als Co-Trainer der DDR-Junioren-Nationalmannschaft wirkte er einige Jahre. Später war er beim SV LVB Leipzig Leiter der Abteilung Tennis. Soweit die nackten Zahlen.
Rainer Baumann gehörte zur intellektuellen Elite der DDR. Gemeinsam mit seiner Frau, die Ärztin war, verkehrte er in Zirkeln mit Künstlern, Medizinern und Wissenschaftlern, in denen der Fußballer die Ausnahme bildete. Sein unvergleichlicher Humor blitzt noch heute auf, wenn er die alten Anekdoten erzählt. Immer wieder ein tränentreibender Lacher, wenn er mit seinem alten Spezi, dem „Buscher“, von einem Eigentor berichtete, sich beide die Schuld gegenseitig zuschoben und die Erzählung mit Baumanns resignierender Erkenntnis endete: „Mit Dir kann man das eben nicht machen!“ Wenn man bei einer Feier auf einen Kreis Anekdoten austauschender Fußballer traf, fand man Rainer Baumann unweigerlich in der Mitte an. So schön wie er erzählte niemand. Und er hat auch eine Menge zu erzählen, war er doch Augenzeuge und Mitwirkender einiger der bedeutendsten Ereignisse der fußballerischen 50er und 60er Jahre. Als gegen den Hamburger SV 70 000 (!) Zuschauer ins Bruno-Plache-Stadion kamen, war Baumann beim 2:2 ebenso dabei wie bei den Spielen gegen Wien (1:2; 50 000), dem Freundschaftsspiel gegen Einheit Ost (0:1, 50 000) und stand auch auf dem Platz an jenem 8. September 1956, als im eben eröffneten Zentralstadion das Ortsderby des SC Lok gegen den SC Rotation stattfand und 100 000 Zuschauer einen deutschen Allzeit-Rekord für ein Punktspiel aufstellten. Auch die Reise nach Albanien, die Chemie 1952 antrat, lieferte unendliche Mengen an Stories und Geschichten. Die Bordkapelle mit Baumann, Busch und Helbig, die unermüdlich musizierte, der Esel, den man unbedingt mit nach Leipzig bringen wollte, der Klau der Schuhe von Walter Rose … Einmal gewinnt Baumann eine Wette, als er das Buffett restlos leerfuttert und dabei eine riesige versteckte Knoblauchknolle unter Tränen mit vertilgt. Die Wette ist zwar gewonnen, aber die Probleme beginnen in der Nacht, als Baumann das Zimmer betritt. Sein Zimmergenosse Walter Rose schnellt wie von der Tarantel gestochen hoch und fragt, was das für ein Gestank wäre. Beide quälen sich durch die schlaflose Nacht, die Mannschaft hat wochenlang zu lachen. Die Ankunft der Mannschaft nach sechswöchiger Odyssee gerät auf dem Leipziger Hauptbahnhof zum Großereignis. Fast 5000 Menschen warteten auf ihre Helden, um zu sehen, ob auch wirklich alle wieder mit heimgekommen sind – schließlich verließen damals schon tausende DDR-Bürger ihr Land für immer. Unfassbare Geschichten. Nach Abschluss seiner Karriere blieb er Chemie immer verbunden, weilte oft in Leutzsch, pflegte seine Kontakte zu Schriftsteller Erich Loest, Dieter Zimmer vom ZDF oder Kabarettist Manfred Uhlig. Einen Titel holte Rainer Baumann für die BSG nie, aber er ist trotzdem eine echte Leutzscher Legende.
Alles Gute und Gesundheit! Happy Birthday, Rainer Baumann!