Zur Person

Jens Fuge, Jahrgang 63, ein „Jeans und Pulli-Typ“ (Die ZEIT) aus dem Leipziger Arbeiterviertel Lindenau, brauchte eine Weile, ehe er seinen Weg zum Journalismus fand. Zwar reportierte er als „Volkskorrespondent“ in seinem Heimatblatt „Leipziger Volkszeitung“ früh über den zweitklassigen Fußball, doch wurde ihm vom Ressortleiter Sport beschieden, dass es sich hierbei vorwiegend um ein Politikum, nicht allein um Sport handelte. So entschied er sich auch gegen ein Studium der sozialistischen Journalistik und ging lieber in die Produktion. Stahlbauschlosser nannte sich das, fand im „VEB Schwermaschinenbau S.M. Kirow“ statt und forderte den jungen Mann komplett. Später baute er Aufzüge, war glühender Verehrer des Fußballvereines Chemie Leipzig und produzierte illegale Fanclubzeitungen.

Dies wiederum beendete seine Karriere als „Korrespondent des Volkes“ und brachte ihn beinahe in den Knast. Ein Jahr hinter Mauern stand in der DDR auf derartige Vergehen. Die Stasi hoffte, ihn mit einer Unterschrift erpressen zu können, doch in seiner Stasiakte finden sich massenhaft Vermerke wie „ungeeignet“, „unzuverlässig“, „feindliche Einwirkung ist deutlich spürbar“. Fazit: Nutzlos, zum spitzeln nicht geeignet! Fuge selber tat das, was er doch verhindern sollte und lud einen Fanclub aus dem Westen in die DDR ein: den des Bonner SC. Das flog auf, die Westbesucher bekamen DDR-Verbot und der 22jährige Fuge stellte einen Ausreiseantrag. Er wurde von vier Leuten bespitzelt und beobachtet, ein 12-Punkte-Maßnahmeplan gegen ihn erarbeitet. Er arbeitete nun als Wellendreher, Tellerwäscher, Hausmeister, Haushandwerker und durfte zu Ostern 1989 nach vier Jahren Wartezeit endlich in die Bundesrepublik ausreisen.

In Karlsruhe Aufzugsmonteur in einer Minifirma, Maschinenschlosser in einer Spinnerei, Paketausfahrer beim Otto-Versand, nebenher Fußball-Berichte über die Bezirksliga Baden-Baden und später auch über den Karlsruher SC in der Bundesliga. Das Blättchen nannte sich „Fußball in Baden“ und ähnelte einem Fanzine mehr als einer seriösen Zeitung. Aber dann, endlich, über Nacht: Journalist! Beim Leipziger Tageblatt brauchte man ob des verdoppelten Seitenumfangs auch Leute, welche die Seiten füllen konnte: die Stunde der Quereinsteiger. Teil Eins der Karriereleiter. Ein Jahr später war Schluss, das Kartellamt verbot der Springer AG das weitere Engagement beim Tageblatt, da die Hamburger 50% der LVZ gekauft hatten.

Also wurde das Blatt dichtgemacht, und unser frischgebackener Sportjournalist bewarb sich bei BILD in Stuttgart. Er verhandelte seinen Vertrag in den dunklen Katakomben des Köln-Müngersdorfer Stadions und trat seine Stelle als frischgebackener Bundesligareporter an. Er betreute den Karlsruher SC, war dicke mit Mehmet Scholl, Oliver Kahn und Winfried Schäfer, und als eine Unternehmensberatung feststellte, dass in Stuttgart ein Sportreporter zuviel an Deck war, ging Fuge zurück nach Leipzig. Der Versuch, beim ehemaligen Parteiblatt „Leipziger Volkszeitung“ Fuß zu fassen, misslang gründlich: Ein ausgereister Ex-Ossi, der von BILD zur Ex-Parteizeitung kam…!

Also gründete unser Mann seine eigene Firma, die er „Westend“ nannte, nach dem Gartenverein nahe seines Elternhauses in Lindenau. Das lief fortan recht erfolgreich, man produzierte Sonderthemen und Beilagen für eben jene LVZ und lieferte Texte, Fotos und Layout für Anzeigenblätter des Verlages. Später gründete Jens Fuge eine GmbH aus, die sich ausschließlich mit Public Relations beschäftigte und rasch unter die Top 40 der deutschen Agenturen gelangte. Olympiabewerbung, Stadtmarketing, Sport-Großevents von Tennis bis Hockey, Fußball-WM 2006 und natürlich die Betreuung von vielen Firmen: Westend war eine ordentliche Nummer. Im Laufe der Jahre publizierte Fuge zwölf Sportbücher, darunter die Standardwerke „Leutzscher Legende“ und „Ein Jahrhundert Leipziger Fußball I & II“.

2009 war es zuviel, er stieg aus, verließ die PR-Agentur, konzentrierte sich fortan wieder auf den Journalismus. Und das nicht ohne Erfolg, wenn man die Liste seiner Veröffentlichungen anschaut. Es gab ganzseitige Reportagen in der „Frankfurter Allgemeinen“ wie in der „Süddeutschen Zeitung“, Reportagestrecken bei „11 Freunde“ sowie in seinem neuen Stammblatt, der BikersNews. Die Welt der Rocker ist seine Welt, die Hinwendung zum Gonzo-Journalismus in seiner reinsten Form genau sein Weg.

Die Dinge, die man beschreibt, selber zu spüren, am eigenen Körper, mit dem eigenen Geist, das begeistert ihn bis heute. Dinge aufzuspüren, die zuvor unerreichbar erschienen, so fremd, dass die Beschäftigung mit ihnen als reine Zeitverschwendung erscheinen musste, stachelt ihn eher an. Da ist er ganz bei seinem Helden Hunter S. Thompson, der doch tatsächlich mal einen sinnvollen Satz ins Stammbuch der Zitate meißelte: „Das Leben ist die langsam fortschreitende Befreiung aus der Unwissenheit.“

Jens Fuge hat vier Kinder, keine Haustiere und seit achtundzwanzig Jahren die gleiche Frau. Mit ihr teilt er die Leidenschaft des Reisens und des Motorradfahrens. Sein Fußballverein kickt in der 4. Liga, so dass er mehr Zeit für das Motorradfahren hat. Befreundet ist er mit dem Leipziger Schriftsteller Clemens Meyer, mit dem sich nicht nur trefflich über die eigenen Tattoos diskutieren, sondern auch über Literatur reden lässt. Seine Lieblingsländer sind Griechenland und die USA, weshalb sein kleines Wohnmobil auch den Namen „Helge“ (aus HELlas und AmeriKA, sächsisch gesprochen Helga, was aber doof klang und deshalb in Helge gewandelt wurde) erhielt. So, wer noch mehr wissen will, sollte sich selber mit ihm verabreden.

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