Freunde

Erbse5 min read

17. Oktober 2008

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Erbse5 min read

 

Erbse. Ein Wort, ein Name, der suggeriert, dass es sich um einen kleinen Gegenstand handelt. Eigentlich. Im Fall meines Freundes Hans Moser konnte davon nicht die Rede sein. Er war zwar körperlich nicht der allergrößte, aber zumindest nach aussen ein starker, robuster Typ. Nach aussen. Denn heute, zwei Jahre nach seinem gewollten Abschied von uns, wissen wir es besser. Dass da irgendetwas war, was wir nicht kannten, wussten, ahnten. An dem Hans zerbrach. Die Erbse. Der Blödmann. Als ob das die Lösung wäre.

Kennengelernt hatten wir uns, als Eisenheinrich mit dem inzwischen ebenfalls von uns gegangenen Pjotr von Renft die „Chemie-Hymne“ einspielte. 1995 muss das gewesen sein. Da trafen wir zum ersten Mal aufeinander. Ich war von dem energischen Bassisten fasziniert. Hans Moser. Schon der Name! Aber er hatte rein gar nichts mit dem österreichischen Volksschauspieler gemein. Ausser dem schnoddrigen Humor! Und der hatte es in sich. Kleine, derbe Sprüche, gefolgt von einem meckernden Lachen – so war er in seinem Element. Dann schüttelte er sein sehr langes, rötlich schimmerndes Haar, das ihm bis an den Hintern reichte. Und sein Zickenbart wackelte dazu. Wach verfolgte er den Weg unseres gemeinsamen Lieblingsvereines, FC Sachsen oder Chemie Leipzig. „Was machen die denn da wieder“, war über die Jahre zum Standardspruch geworden, unwillig schüttelte er sein prächtiges Haupthaar, „sind die bleede oder was?“ Doch immer, wenn sie gefragt wurden, sprangen Erbse und Heini (Lutz Heinrich) ein, sangen, standen auf der Bühne, komponierten. Zuletzt sogar im Zentralstadion auf einer wackeligen Hubbühne vor dem Fanblock.

Unser größtes Ding aber drehten wir zum 100. Geburtstag des Leutzscher Fußballs. Die legendäre Chemie-CD entstand aus einer Idee, verschiedene Bands zu fragen, ob sie dem Anlass angemessen nicht ein Lied über Chemie schreiben und aufnehmen könnten – für eine Schallplatte. Eisenheinrich half nicht nur mit einer neuen Version der Hymne (auf der ich den berühmten „Hansi!!!“-Schrei imitierte) im Hardrock-Style mit Bass-Solo, zu dem ich Hans überredete, sondern produzierte das komplette Teil im eigenen „Sternburg-Studio“ in Lützschena. Wichtigster Bestandteil der CD war das zwölfminütige Medley aus alten, bei der jüngeren Generation fast vergessenen Chemie-Liedern.  Eingespielt und aufgenommen wurde es auch von Lutz und Erbse. Da sie einige Lieder nicht kannten, kam es zu der skurrilen Situation, dass einer von beiden mich tagsüber im Büro anrief, durchgestellt wurde und mich nach diesem oder jenem Text- oder Melodiefragment befragte. Also musste ich, teilweise vor Anwesenden im Büro, anfangen zu singen oder zu summen. Man stelle sich die Situationskomik vor: Meeting zu irgendeinem Thema in der Firma, Mitarbeiter, Terminhatz. Der Chef bekommt einen Anruf und sagt Sätze ins Telefon wie: „Aber eins, das ist gewiss, vor Chemie Leipzig hammse alle Schiß“, oder: „Von Liverpool bis an die Spree, keiner schlägt die BSG!“. Naja. Auf alle Fälle hatten wir einen tollen Erfolg, denn die CD verkaufte sich nicht nur prima (und wir gaben das Geld komplett an den Nachwuchs unseres Vereins), sondern das alte Liedgut wurde quasi neubelebt und so mancher Gassenhauser und Evergreen aus früheren Zeiten wurde nun wieder fester Bestandteil des Leutzscher Liedgutes.  Da waren wir schon ein wenig stolz darauf. Und eine tolle Fete mit einem legendär gewordenen Konzert im Festzelt zu Leutzsch gab es auch noch. Hans‘ Auftritt in kurzer Hose und mit grün-weißen Ringelsocken bleibt ebenso unvergessen. „Jensemann“, sagte er zu mir, er nannte mich immer „Jensemann“, „Jensemann, so was müsste man öfter machen. Das hat Charakter.“ Da hatte er tausendprozentig recht. Davon hatten wir in Leutzsch in den letzten 20 Jahren wahrhaftig zu wenig.

Legendär waren unsere Grillabende. Einmal bei uns zu Hause: Erbse und Lutz (Heinrich) hatten die Jungrocker von Amok im Schlepptau, die Fete begann, wir aßen, tranken. Heini hatte sehr sehr schnell zwei Fläschen Rotwein intus und verschwand in meinem Bett. Wir anderen machten unbeeindruckt   weiter und kommentierten die zwischenzeitliche Heinrich`sche Schwäche nicht. Die Vorräte wurden systematisch beseitigt, es ging uns immer besser. Das bekam auch unsere Hecke zu spüren, als ein nicht genannt wollendes Mitglied der Kapelle Amok sich am Grünzeug verging…

Einmal kochte Hans auch für uns. In Lützschena saßen wir in seiner Küche, er hantierte wie wild mit den Töpfen und Pfannen und zauberte uns ein köstliches Gemüsepfannenessen. Da fühlte er sich in seinem Element, das machte ihm großen Spaß – und uns auch.

Bemerkenswert war der Modegeschmack von Hans. Mutige Gehröcke, verrückte Hemden und die ewigen Boots an den Füßen standen ihm, dem Bluesmusiker mit Leib und Seele, durchaus an. Dass er mal Schneider gelernt hatte – von der Lehrzeit erzählte er stets mit einem verzückten Grinsen, waren doch alle Mitlehringe um ihn herum weiblichen Geschlechtes – kam ihm dabei zu Gute. Sein Spiel auf der Bühne war authentisch, verzückt konnte er sich in einen Rausch spielen, mit geschlossenen Augen genoss er den Augenblick. Und die Attitüde als Star für den Moment, auf den sich alle konzentrieren. Vielleicht war es das, was ihm fehlte. Mehr Erfolg zu haben, von seiner Musik auch gut leben zu können und nicht tingeln und jeden Monat rechnen zu müssen. Wer weiß?

Am 1. November 2006 entschloss er sich, die Welt, wie er sie offenbar nicht mehr ertragen konnte, zu verlassen. Niemand, nicht ein einziger Mensch, hatte soetwas geahnt. Mich hat er noch drei, vier Tage vorher angerufen, zu meinem Geburtstag gratuliert, wir haben über dies und das geredet, dass wir uns endlich mal wieder sehen müssen, über Chemie, was man eben so redet.

Hans, das fehlt. Du fehlst. Du Blödmann.

 

 

 

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9 Kommentare
  1. Christa

    hallo Jens, da ist das schon wieder 2 Jahre her, als der hans sich davon gemacht hat, unglaublich. An das Chemiekonzert kann ich mich gut erinnern oder war es eines der Konzerte mit Eisenheinrich in Leutzsch? Ich weiß, dass es im Zelt brechend voll war, sehr laut und warm, deshalb habe ich dann bald draußen gestanden und von da zugehört. Was war das für ein Spiel vorher, der Aufstieg oder "nur" die 100-Jahrfeier? Hast du sehr lebendig geschrieben, würde deinem Freund auch gefallen, denke ich. Ich hoffe, wir sehen uns bald. Liebe Grüße, auch an Kerstin von eurer MuChri.

  2. admin

    Hallo Mutti, ja, 2 Jahre ist das schon wieder her. Am 2.11. wars. Das Konzert, das du meinst, war zum 100jährigen im Festzelt, wo die ganzen Bands live gespielt haben. Da war es doch so warm. Das Spiel war gegen Benfica Lissabon. Wann feiert ihr denn eigentlich Anetts Geburtstag - morgen? Wir denken an euch und trinken einen mit. Bis bald! Kerstin und Jens

  3. Anett

    Hallo Jens, ich war damals auch ganz schockiert, als ich von seinem Tod erfahren habe. Auch wenn ich ihn nicht wirklich kannte, aber er war ja doch immer wieder mal im Büro und ich fand ihn einfach witzig. Ich kann mich noch an eine Situation erinnern, als Marina ihn bei einem seiner ersten Besuche nach seinem Namen fragte und er sich mit Erbse vorgestellt hat. Sie hat ihn dann als Herrn Erbse (konnte ja keiner ahnen, dass er sich mit seinem Spitznamen vorstellt) bei dir telefonisch angemeldet. :-) Wir feiern heute ein wenig meinen Geburtstag - ab 17 Uhr - es gibt genügend Chili ;-) Liebe Grüße anett

  4. admin

    ach, ich bin ganz heiss auf Chili. Die Sonne scheint, es ist herbstlich geworden, wir laufen in den Tannen rum und versuchen, Feuer zu machen. Fast wie zu Hause. Naja, wir trinken einen Ouzu auf dich nachher, OK? LG!

  5. Anett

    also ich hoffe ja immernoch ein klitzekleines bisschen auf eine überraschung heute - das wäre sooooooooooooooooooooooooooo schön :-)

  6. Christa

    ÜBERRASCHUNG GELUNGEN !!!!!!!!! War sehr schön, glaubs noch gar nicht- Liebe Grüße- bis bald- Mutti/Christa

  7. Anett

    ja, das war wirklich toll gestern und ich hab mich sooo gefreut, dass ihr gekommen seid :-) honig wurde gerade verkostet und für seeeeeehr gut befunden. der mann bittet darum, schleunigst nachschub zu besorgen ;-) so guten honig haben wir wirklich noch nicht gegessen liebe grüße und hoffentlich bis sehr bald anett

  8. Robi

    soso wieder zu hause, bin auf den mündlichen zusatzbericht gespannt ;) zum thema: ich erinner mich nur dran wie wir im Stadion oben in dem Zimmer waren und ich diese 3 Typen da sah, und mich gefragt wer das sein soll...irgendwann bekam ich dann mit, dass das Eisenheinrich war, das war vll eine Überraschung dann...

  9. Mart

    Hallo Jens, schön dass mal wieder an Erbse erinnert wird. Ich sehe das Bild vom Kindergarten, als wir die CD der Lützschenaer Sternchen fertig hatten. Ich weiß noch, dass Erbse bei dieser Gelegenheit an einem kleinen Theaterstückchen teilnehmen musste, in einem Marienkäferkostüm. Es war wirklich herrlich, diesen Kerl mit seinem Rumpelstilzchen-Lächeln in einem roten Kostüm mit schwarzen Punkten zu sehen. Dazu noch diese Kappe mit den zwei Fühlern drauf. Wir konnten nicht mehr vor Lachen! Leider gibt es, soweit ich weiß, wohl kein Foto davon. Ja, Hans in der Küche - das war immer lustig und schmackhaft. Es fehlte nie an Knoblauch und Warsteiner. Ich habe ihn immer bewundert, diese absolut geniale Leichtigkeit beim Bass spielen. Irgendwie verschmolz er mit dem Instrument, ich hab das nie geschafft. Ein paar Tricks und Kniffe bracht er mir bei, ich hätte gern mehr von ihm gelernt, dem alten Scheusal! Liebe Grüße an die Familie Dor Russe (der Name war natürlich seine Erfindung)

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