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Zurück in der Regionalliga: Hurra, Chemie ist wieder da!8 min read

4. April 2017

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Zurück in der Regionalliga: Hurra, Chemie ist wieder da!8 min read

3.6.2017 BSG Chemie Leipzig - Schott Jena 3:1 Aufstieg in die Regionalliga! Fußball

Als Aufsteiger mit einem Durchmarsch zu kommen, ist ein wahrer Bubenstreich. Denn er strafte alle Lügen, die den Verein schon abgeschrieben hatten. Dabei ist gar nicht die neue Liga so wichtig, sondern vielmehr, dass der endgültige Beweis erbracht wurde, dass Chemie Leipzig einfach nicht klein zu kriegen ist.

Wurde schon der Aufstieg im letzten Jahr überschwänglich bejubelt und gefeiert, wurde in diesem Jahr nochmal eine Schippe draufgelegt. Eich Zeichen gewachsener Reife und verbesserter Strukturen: die Feierlichkeiten wurde dieses Mal nicht so spontan abgehalten wie zuletzt, sondern organisiert durchgezogen – den Gegebenheiten angepasst. So wurde der Bereich vor dem Spielereingang abgesperrt, das Team bekam den Pokal auf dem Pressebalkon überreicht, das Feiergelände wurde größenmäßig angepasst und hinter die Tribüne verlegt. Alles etwas professioneller und dennoch voller Charme, denn nach wie vor muss man sich manchmal fragen, wer hier gerade am zündeln und anstimmen bestimmter Lieder ist: Fans oder Mannschaft, Ultra oder Kicker, Menne oder Karau? Der Meisterpokal war für jedermann zum greifen nahe, Fotos mit Spielern und Trophäe selbstverständlich, und als die Truppe den Flughafen Richtung Malle enterte, fühlte man sich eher an eine Truppe feiernder Fans erinnert als davon auszugehen, dass hier die Mannschaft selbst ins Flugzeug stieg. All das macht Chemie aus, der Geist lebt, und vielleicht ist der Verein anno 2017 mehr Chemie als er es jemals war. Denn die meisten, die bislang zu den Spielen pilgerten, haben eine ganz bewusste Entscheidung hinter sich: gegen Lok, gegen RB, gegen die SG Leutzsch und die unselige Spaltung – für ein Alternativprojekt, dass sich ehrlichen Fußball und ein Leitbild auf die Fahnen geschrieben hat.

Natürlich waren viele derjenigen, die zum letzten Spiel in den AKS pilgerten, lange nicht da gewesen. Die Gründe sind vielfältig, der „Bruderkrieg“ im AKS hatte auch die letzten Getreuen vergrault. Doch einer von ihnen, den ich seit 35 Jahren kenne und der nichts mehr mit Chemie zu tun haben wollte – er stammt aus einem der alten Fanclubs – schrieb mit gestern nach dem Spiel: „Chemie war heute Gänsehaut“. Viele „Alte“ kamen und schauten nach Jahren der Abstinenz wieder herein – und dürften nichts von dem, was sie vielleicht im negativen Sinne erwartet haben, vorgefunden haben. Keine Gesichtskontrolle am Eingang, keine linksradikalen Parolen, keine roten Fahnen. OK, das war jetzt übertrieben, aber manchmal hört man solche Ansichten tatsächlich!

Vielmehr fanden sie alles vor wie zuletzt in guten FC Sachsen-Zeiten, was an die 15 Jahre zurück liegen dürfte. Nicht nur baulich hat sich wenig verändert, sondern auch die gute Stimmung ist wieder da, die langen Schlangen an den Kassen, die Begeisterung auf den Rängen, die verrückten und geschmückten Chemiker, die voller Euphorie das Spiel kaum erwarten konnten. All das gehegt und gepflegt, kultiviert und durchgezogen ohne jemals locker zu lassen von denen, die man einst als „Verräter“ bezeichnete, denen man den Niedergang des FC Sachsen zuschrieb – den Ultras.

Was natürlich hanebüchener Unsinn war, denn der Niedergang wurde von den arroganten und ahnungslosen Amtsträgern sowie wankelmütiger und ängstlicher „Partner“ verschuldet, den Lonzen, Rocca, Kölmel und wie sie alle hießen. Denen die Fans allzu oft kritik- und ebenso ahnungslos nachliefen, Kritiker niederbrüllten und deshalb zumindest eine Mit-Schuld trugen. Vielleicht zeigten sie deshalb mit dem Finger allzugern auf die kleine Gruppe junger Leute, die ihnen die Konsequenz vorlebten und den scheintoten FC Sachsen verließen. Ihnen ist es hauptsächlich zu verdanken, dass dieser Verein heute so lebendig ist. Ihnen wie all denen, die in der Verantwortung stehen und mit viel Arbeit und Sachverstand aufgebaut haben, was heute so stolz dasteht.

Die Saison begann für mich, wie die letzte aufhörte: mit einer Auswärtsniederlage. Ich hatte zwar damit geliebäugelt, dass dieser Fluch beendet sei, aber gefehlt. Bischofswerda kickte uns 1:0 vom Platz, obwohl wir nicht die schlechtere Mannschaft waren. Auch die Anreise mit Machti von den Grünen Engeln als Harley-Geschwader nutzte nichts…

33 Jahre nach dem Wahnsinns-Aufstiegsspiel in Gera rückten wir wieder mal dort an. Zahlenmäßig kamen wir an die 10 000 mitgereisten Chemiker von damals zwar nicht ganz heran, jedoch machten wir einen guten Eindruck und ein noch besseres Spiel. 2:0 hieß es erneut, und man sah erstmals, dass unsere Truppe in dieser Liga nicht nur mithalten konnte. Und ich hielt meinen Fluch für besiegt…

Gleich danach begann ich aber wieder zu verzweifeln, denn das „Auswärtsspiel“ gegen Inter ging mit 0:1 in die Hose. Unfassbar, gegen dieses Konstrukt zu verlieren, aber die Nerven bei solchen Spielen sind eben immer eine Hürde. Es folgte Plauen und mein Glaube daran, dass ich verhext sein musste. 1:2 verloren, wieder nicht schlechter gewesen und trotzdem nix gerissen. Ich spielte mit dem Gedanken, von nun an meine Wochenenden alternativ zu planen.

Dennoch auch da schon eine stabile Leistung der Mannschaft, die sich absolut sehen lassen konnte. Als gegen Halberstadt der 0:2-Rückstand umgebogen werden konnte, ahnte man, dass da mehr sein musste. Oder konnte.

Zur Halbserie der mutige und konsequente Schritt der Vereinsführung, sich zum Ziel Aufstieg zu bekennen, in aller Vorsicht, aber auch nach vorn gerichtet. Die Winterzugänge schlugen ein wie niemals zuvor, und von nun an stellte sich ein Gefühl ein, dass nicht mal wir Alt-Chemiker kennen: Chemie siegte nicht nur, sondern spielte seine Gegner auch in Grund und Boden! Und auch mit meiner Auswärtsbilanz ging’s aufwärts. Das 5:1 in Jena, den Gegner regelrecht filettiert, wieder Anreise auf dem Bike. Markranstädt fiel wie eine reife Frucht, die Leutzscher Festung stand. Und beim 2:0 gegen Gera staunten wiederum die Alten: „Was ist denn hier los – der BFC spielt doch heute bei Lok, aber der Schiedsrichter ist in Leutzsch“? Was die Jüngeren vielleicht nicht wissen: BFC = Schiedsrichter = Sieg. EIn Elfer fiel uns zu, den außer dem Schieri keiner im Stadion gesehen hatte, und das zweite Ding war über der Linie, was aber auch keiner gesehen hatte. Da hatte der gute Mann wirklich Adleraugen. Respekt! Jena II brachte uns ins Wanken, doch wir fielen nicht. Unentschieden. Auswärts wartete Halberstadt. Aus lauter Nervosität startete ich eine Harzrundfahrt mit dem Wohnmobil, besuchte die Stätten früherer Chemie-Auftritte. Thale, Blankenburg, Wernigerode. Am Vorabend erreichten wir Halberstadt, erklärten die Stadt für besetzt und parkten unser Gefährt direkt am Stadion. Am Morgen rieben wir uns die Augen, als wir die Völkerwanderung sahen, die uns nachgefolgt war. Gut 1500 Chemiker im Block, und nicht nur der Stadionsprecher wunderte sich: „Ihr seid wieder da!“ Das letzte tränenreiche Auswärtsspiel des FC Sachsen, ebenfalls in Halberstadt, ist unvergessen. Doch jetzt waren wir plötzlich wieder da – stärker und stolzer als je zuvor. Wahnsinn. Und mit dem 0:0 konnten alle gut leben.

Ich fuhr nach Halle, wieder stand ich Chemie nicht im Weg – 4:0 gewonnen. Naja, gegen Plauen haben wir gezittert, die haben gekämpft als ob der Teufel hinter ihnen her waren. Oder waren es tatsächlich die langen Scheine, wie vor dem Spiel kolportiert wurde? Die Drucksituation der letzten Monate, dass man sich nicht mal ein Unentschieden leisten konnte, weil dann Verfolger Halberstadt an uns vorbeigezogen wäre, war schon fast erdrückend und es ist nicht zu unterschätzen, was diese Anspannung für einen Sportler bedeutet. Allerdings auch für uns Fans… Denn Herztropfen sollten langsam zur Beigabe zur Eintrittskarte gereicht werden, scherzte Machti per Whatsapp nach dem letzten Spiel, das er nur aus der Ferne per Livestream verfolgen konnte.

So konnte dieses Mal also nichts unsere BSG aufhalten: keine Schiedsrichter, keine Umverlegungs-Arien, obwohl es deren genug gab, wenn ich nur an das Theater um das Halberstadt-Spiel denke, keine Verletzungsausfälle (wann gab es das denn mal?), keine vergebenen Großchancen (obwohl wir deren etliche hatten), einfach nichts und niemand konnte uns das Wasser reichen.

Die Gefahr liegt im Erfolgsfall ja immer in der Routine, denn nun denken alle, es geht genau so weiter. Doch das Gegenteil wird eintreten: Wir werden wieder Spiele verlieren, auch mehrere nacheinander, auch Heimspiele. Es wird nicht um den Aufstieg gehen, es wird vielleicht nicht so ansehenswerter Fußball in Serie gespielt werden wie in dieser Saison. Das werden die Gegner einfach nicht zulassen. Lok hat es schon erfahren müssen in der letzten Saison, nachdem sie aufgestiegen waren.

Apropos Lok: Die Niederlage im Pokal tat weh, war vielleicht nicht gerecht und überhaupt – wer will schon gegen Lok verlieren? Die Derbys haben uns wieder, auch Cottbus und der BFC kommen – es wird brisant. Ich persönlich hoffe, dass nichts eskaliert, dass nichts geschieht, was die Aufbauarbeit mit Füßen tritt und den Verein wieder beschmutzen würde. Welcher Vater würde seinen Jungen jemals wieder mit nach Leutzsch bringen, wenn erneut irgendwelche Horden dort wüten? Es hat so viel Mühe gekostet, die Trümmer wegzuräumen und Vertrauen wieder herzustellen. Jede Eskalation wäre eine Katastrophe und würde Ressourcen vernichten, die dann wohl endgültig nicht erneuerbar wären.

Lasset uns also den Moment genießen und einfach Fußball schauen. Klassenerhalt, realistisch bleiben, jedes Tor genießen, jeden Auftritt im Fernsehen, jeden größeren Artikel in der Zeitung. Im Hintergrund muss weiter fleißig gearbeitet werden, Strukturen geschaffen, gefestigt und entwickelt werden, belastbare Stellen müssen entstehen, finanzielle Mittel eingeworben und verdient werden. Das Hausaufgabenheft ist riesig – und da ist die Baustelle AKS noch nicht einmal enthalten.

Das Leben ist hart – lasst uns den Moment genießen! Und dann wird weitergemacht, immer weiter…

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