Coast to Coast 2013

Sturgis und zurück5 min read

27. August 2013

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Sturgis und zurück5 min read

Fast genau 7000 Kilometer, sieben Bundesstaaten und 17 Tage – das sind die Zahlen unseres Trips nach Sturgis. Und es war alles dabei: Hagel, Regen, Schnee, Hitze, Kälte, einsame Highways, dichtbefahrene Interstates, Pässe auf über 4000 m Höhe, Wüste, Hochgebirge, Salzseen, Sanddünen, dichte Wälder und spektakuläre Nationalparks wie Yellowstone, Teton und Rocky Mountains National Park. Wir tranken mit Oldschool-Bikern, schämten uns fremd für die schlimmsten Wannabees, sprachen mit dem Chef des wohl größten Campingplatzes der Welt, dem Buffalo Chip in Sturgis, hingen ein wenig mit Sonny Barger herum, dem berühmten Hells Angel, und hatten die Ehre, Willi G. Davidson zu treffen. Der Enkel der Firmengründer entwarf und designte einige der wichtigsten Harleys der Geschichte.

Der Schreck war groß, die SMS eindeutig: „Snow. We got stuck on top of mountain.“ Steckengeblieben auf dem Berg – Doc und Mark waren bei ihrem Ausflug in die Black Hills in 2000 m Höhe in ein Unwetter geraten, das tennisballgroße Hagelkörner und Schnee produzierte. Den Beiden gelang es, für die Nacht noch ein Zimmer zu ergattern, doch an die 80 Biker, die in der gleichen Lage waren, war der Luxus eines warmen Zimmers für die Nacht nicht vergönnt. Sie mussten notdürftig in der Lobby eines Hotels ausharren, bis am nächsten Morgen die Sonne ihr mildtätiges Werk vollbrachte. So harrten wir denn allein im „Knuckle Saloon“ bei Damenboxen und ähnlichen Rummelveranstaltungen aus. Wir amüsierten uns prächtig, tranken ein paar Leichtbiere der Marke „Made in USA“ und warteten auf den Auftritt der Band. Als das letzte Veilchen geschlagen und die letzte Mutti versorgt war, durften endlich die Musiker ran. Naja, mittelprächtig. Laut waren sie immerhin. So verließen wir die Bar, von deren Galerien im ersten Stock wir eine gute Aussicht gehabt hatten, und suchten unser Bike. Das war gar nicht so einfach, denn inmitten der tausenden Motorräder, die auf der Main Street und den anliegenden Straßen geparkt waren, musste man schon ein gutes Gedächtnis oder / und einen guten Orientierungssinn haben. Wir hatten beides, und so ritten wir zur Homebase nach Rapid City.

Allein die 25 Meilen in die größte Stadt der gesamten Umgebung waren eine einmalige Demonstration der Einmaligkeit des Events in Sturgis. Eine nie abreißende Kette an Bikes bevölkerte die Interstate 90, große Leuchtschilder warnten die Autofahrer: „Heavy Motorcycle Traffic“ und meilenweit sollte der Durchgangsverkehr nur die linken Fahrspuren nutzen. Somit sollte sichergestellt werden, dass die Unmengen von auf- und abfahrenden Bikes sicherer fahren konnten. Das über allem liegende Geräusch der unlegalen, aufgebohrten und nie und nimmer irgendeinem vorgeschriebenen Pegel entsprechenden Auspuffe bohrte sich direkt ins Gehirn. Keine Chance, dem auch nur ansatzweise zu entgehen. Dieser Dauerton war natürlich absolut entzweiend – Musik in den Ohren der einen, nervend und störend für die anderen. Für die meisten der ca 800 000 Menschen, die sich in den zehn Tagen Sturgis zusammengefunden hatten, war es allerdings der unverzichtbare Soundtrack einer Messe des Ungezügelten, Ungebeugten und Unaufhaltsamen. Sturgis!
Nicht möglich, zu erklären, was die Faszination solcher Treffen ausmacht. Nicht notwendig, die Protagonisten zu Wort kommen zu lassen. Ausreichend, das Treiben zu beobachten, die Gesichter, die Gewänder, die Technik zu studieren. So ist noch Jeder zu entlarven, was ihn treibt, was ihn ausmacht, für was er steht. Möchtegern oder Cowboy, Getriebener oder Outlaw, Harlekin oder letzter Aufrechter eines gelebten Traumes – sie alle hat es in diese Stadt verschlagen, sie alle zelebrieren hier ihre eigene Messe.
Doch sie alle beten den einen Gott an, der ihnen allen die Möglichkeit gab, sich außerhalb der Gesellschaft zu begeben, um dort ihren eigenen Werten zu huildigen, so sie denn welche haben. Dieser Gott hat zwei Zylinder, zwei Räder und zwei Namen: Harley und Davidson.
Einem leibhaftigen Sohn dieser Gottheit schüttelte ich wenig später die Hand. Der Enkel des Firmengründers, oder ist es der Urenkel?, hört auf den Namen Willi G. und trägt den Nachnamen Davidson. Er nimmt für sich in Anspruch, oder jedenfalls behauptet das die firmeneigene PR-Truppe, dass er einige der wichtigsten Modelle der Firma entwickelte und designte. Oder wahrscheinlich: Mit-entwickelte und Mit-designte. Ist aber gut für Mythos und Geschäft, wenn da einer aus der alten Dynastie sitzt, der den eigenen Bock, auf dem man sitzt, mit eigenen Händen und eigenem Hirn mitgeschaffen haben soll. Naja, bis auf ein paar völlig belanglose Worte kam nichts dabei heraus, für ein Interview hätte ich die Pressestelle kontaktieren und das Ganze zwei Monate vorher anmelden sollen. Braucht man wie einen Kropf, deshalb wusch ich mir die Hand einfach für ein paar Tage nicht mehr und hatte somit auch länger was davon.
Ein paar kräftige Hiebe auf den Rücken kassierte ich dafür von einem anderen Gott. Sonny Barger himself stand vor dem temporären Clubhaus der Hells Angels in Blickweite zur Mainstreet von Sturgis und freute sich sichtbar über unser Wiedersehen. Als „Götter der Hölle“ hatte ich ihn mal in einem Artikel gemeinsam mit Johnny Angel bezeichnet, dem anderen großen alten Mann der Hells Angels. Ich hatte nicht erwartet, ihn hier zu treffen, aber wie er mir erzählte, kommt er seit 1982 mehr oder minder regelmäßig hierher – nie allein wegen Sturgis, aber es fand sich eben immer ein Grund, hier Station zu machen. In diesem Jahr war es der USA-Run der Angels, der in Rockfort bei Chicago stattfand. Einige der Engel hatten die 900 Meilen in einem Ritt abgerissen, doch Sonny lächelte nur und befand, dass er solche Sachen nicht mehr machen würde. Er hatte die Strecke von 1450 Kilometern an zwei Tagen hinter sich gebracht…
Irgendwann war auch dieses Fest zu Ende und wir ritten durch die Rockies zurück. Estes Park mit seinen 14 4000er Gipfeln, Aspen mit dem 4000 m hohen Independent Pass, der Highway 50, der nicht umsonst als „The loneliest Highway in Amerika“ bezeichnet wird, die Interstate 70, die wohl die landschaftlich schönste Schnellstrecke der USA ist – es war ein Fest für Sinne und Verstand. Und irgendwann waren wir wieder in Frisco. So ist das…

3 Kommentare
  1. Knipser

    Wie immer ein Erlebnis. Viele Spass noch und kommt heil zurück

  2. MuChri

    Schließe mich dem Knipser an !! Liebe Grüße.

  3. Harley68

    Naja so einfach dem Knipser kann sich ja jeder anschließen ;) Kommt Ihr mir mal @home. Erklärungsbedarf: Kerstin zeigt an nackten Kalenderfrauen vorbei auf Dollarnoten, die scheinbar mit Autogrammen von Euch versehen wurden und Jens trinkt - wo alle anderen USA-Leicht-Bier trinken - Ketchup?! Mann mann mann, das muss mal einer verstehen...

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